Waffen und Kampfspiele in der Therapie mit Kindern und Jugendlichen

Waffen und Kampfspiele in der Therapie mit Kindern und Jugendlichen

Wir haben uns mit Costa Rothfuß über seine Therapiearbeit als Ausbildungskandidat im C. G. Jung-Institut unterhalten.

Hallo Herr Rothfuß, können Sie uns kurz was über sich erzählen und was Sie am C. G. Jung-Institut machen?

Ich bin Ausbildungskandidat in Analytischer Psychotherapie für Kinder und Jugendliche, derzeit in der vertieften Ausbildung, d.h. ich habe die Grundausbildung und Vorprüfung schon hinter mir und behandle seit mehreren Jahren unter Supervision Patienten.


Was hat Dich dazu bewegt am C. G. Jung-Institut zu studieren?

Ich komme aus der Pädagogik und nach meinem Studium an der PH-Ludwigsburg war klar, dass ich nicht als Lehrer arbeiten wollte. Auf der Suche nach beruflichen Weiterbildungen kam ich dann auf das Institut und wurde nach Besuch des Infotages und einem persönlichen Gespräch schnell überzeugt, dass die Analytische Psychologie das Richtige für mich ist. Ausschlaggebend hierfür war, dass die Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten und die individuelle Entwicklung des Patienten im Zentrum steht und nicht ein strenges Modulsystem gelehrt wird. Besonders gefällt mir an der Analytischen Psychologie gegenüber anderen tiefenpsychologischen Schulen, dass die Ressourcen, also das individuelle Entwicklungspotenzial des Einzelnen, eine zentrale Rolle spielen.

Was heißt das in der Praxis? Wie begegnest Du den Eltern mit Ihrem Kind, wenn Sie zu Dir in Therapie kommen?

Formal läuft das so ab: Zuerst werden in Zusammenarbeit mit meinem Supervisor und der Ambulanzleitung probatorische Gespräche mit dem Patienten und den Eltern geführt. Nachdem Anamnesen aufgenommen und eine Diagnose gestellt wurde, kann der Antrag bei der Krankenkasse eingereicht werden. Wird der Antrag bewilligt, beginnt die eigentliche Psychotherapie mit zwei Sitzungen wöchentlich im Falle einer Analytischen Psychotherapie.

Ab jetzt beginnt die eigentliche Therapiearbeit. Dem Kind oder Jugendlichen wird ein geschützter Raum angeboten, in dem  alles fantasiert und gesagt werden darf und nichts nach Außen dringt. Das ist ganz wichtig. Hier erfährt das Kind eine Freiheit, die es im Alltag oft nicht findet. Auch den Eltern gegenüber wird nichts preisgegeben, nur das, was die Eltern aus Sicht des Kindes wissen dürfen. Den Eltern wird in Elterngesprächen die therapeutische Arbeit erklärt. Man bespricht, wie das Kind unterstützt werden kann.

Der geschützte Therapieraum ist kindergerecht eingerichtet, hier findet das Kind viele frei zu wählende Angebote. Ich begegne dem Patienten offen mit „Schau dich in Ruhe um und such Dir was aus.“ Meistens beginnt dann eine längere Such- und Orientierungsphase.

Spielzeug aller Art, Puppen, Waffen, Musikinstrumente, Sandspiel, Ton, Malfarben, Kuschelecke, Bälle, Verkleidungsmöglichkeiten  stehen dem Kind zur freien Verfügung. Es ist wie in einem alchemistischen Labor, hier darf Neues geschehen und kreativ ohne Sachzwang und Einschränkung experimentiert und gearbeitet werden. Es darf aber auch „richtig zur Sache“ gehen, mit Gummi- und „Laser“schwertern kann richtig gekämpft werden, mit Pfeilen auf Zielscheiben geschossen, ganze Schlachten und Katastrophen können im Sandspiel inszeniert werden.

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Hier würde ich gerne einhaken, ich sehe viele Waffen und Schussgeräte im Therapieraum, wie setzt Du diese Spielsachen ein?

Jungs lösen Ihre inneren Konflikte oft motorisch in Bewegungs- und Kampfspielen. Kämpfen muss aber erlernt werden. Wenn das nicht gelingt, entstehen bei den Kindern Probleme, Ihre Aggressionen und Emotionen auszudrücken, die einen werden dann gehemmt, die anderen zeigen ein überaggressives Verhalten. Wenn dann ein Kind zu mir kommt, geht es darum, dem Kind faires Streiten, Konkurrieren und Kämpfen, Geduld und Regeln beizubringen, damit sie einen angemessenen Ausdruck für ihre Aggression finden.

Die Waffen sind völlig ungefährlich und dienen als Instrumente für diese Arbeit. Zusammen werden spielerische Kampfsituationen hergestellt. Oft entstehen Grabenkämpfe in verschiedensten Variationen in denen Rollen wie Eroberer und Unterworfener, Verteidiger und Angreifer, Unter- und Überlegener oder Indianer gegen Cowboy ausprobiert werden. Es werden Kapitulationsgespräche geführt und Friedensverträge geschlossen. Das kann einem Jungen helfen, ein besseres Selbstwertgefühl, mehr Selbstvertrauen und eine stabilere Identität zu entwickeln. Jungen in der Latenzphase von 10-12 Jahren müssen den familiär-mütterlichen Raum allmählich verlassen und die damit verbundenen Ängste und Konflikte bewältigen sie oft durch Mutproben, Heldenfahrten und Drachenkämpfe. Mädchen machen das auch, aber meistens kürzer.

Und diese Spiele helfen dann Deinen Patienten?

Spielen ist Üben für den Alltag. Das Kind übt im Spiel verschiedene Situationen, um dann im Alltag zu bestehen. Aus dem Kampfspiel heraus entstehen Lösungsansätze für andere problematische Situationen. Die Waffe ist ein Symbol für zielgerichtete Energie, das können Wünsche und Willensimpulse sein, aber auch Autonomiebestrebungen und Aggressionen. Indem wir kämpfen, lernt das Kind nicht nur mit der Waffe umzugehen, sondern auch mit seinen Impulsen und Gefühlen. Es lernt dabei nicht nur körperlich, sondern übt sich auch verbal und geistig. Es überträgt seine gewonnenen Fähigkeiten auch auf andere soziale Konfliktsituationen, also z.B. wie man fair miteinander diskutiert oder auch streitet.

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Manche Eltern verbieten den Kindern mit Pistolen zu spielen und Andere totzuschießen, wie siehst Du das und gibt es Grenzen im Spiel?

Mit Gewalt umzugehen ist immer ein schwieriges Thema, bei dem man aber mit einem Tabu nicht weiterkommt. In der Natur sind Aggression und Gewalt starke evolutionäre Überlebensinstinkte und in der Therapie geht es oft auch darum, sich seiner aggressiven und destruktiven Impulse bewusst zu werden und diese mit dem therapeutischen Gegenüber zu bearbeiten und geeignete Umgangsweisen damit zu entwickeln.

Es gibt natürlich auch Grenzen in der Therapie, es darf niemand real geschädigt oder verletzt werden. Das Leitbild ist der positive, sich seiner Möglichkeiten und Grenzen bewusste Held. Dieser setzt sich leidenschaftlich und beharrlich für Ziele ein, er entwickelt die Fähigkeit, Rückschläge zu verkraften und setzt sich für die Gemeinschaft ein. Ich möchte auch daran erinnern, dass manche Kampfeskünste, wie sie z. B. im Kung Fu, Judo oder Zen geübt werden, nicht nur ethisches Denken und Verhalten fordern, sondern sogar spirituelle Bezüge haben.