Sandpielprojekt im Flüchtlingslager Lagkadikia

Sandpielprojekt im Flüchtlingslager Lagkadikia

Unter der Leitung unserer Mitglieder Frau Eva Feine-Enninger und Frau Elisabeth Kauder konnte im September 2016 das Sandspielprojekt im griechischen Flüchtlingslager Lagkadikia durchgeführt werden. Das Lager fasst 1000 Menschen, viele Familien, zahlreiche Kinder. Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge waren dort in einem sog. SAFE POINT untergebracht.

Im Lager angekommen fanden sich, mit Hilfe unseres Projektpartners ARSIS und nach einigen bürokratischen Hürden, 20 männliche unbegleiteten Minderjährige (13-17 Jahre alt) zusammen, um am Sandspiel in der Gruppe teilzunehmen. In 12 täglich stattfindenden einstündigen Sitzungen gestalteten die Jugendlichen  mit großer Ernsthaftigkeit und Hingabe ihre Sandbilder. In den Bildern kamen Erlebnisse von Krieg und Bedrohung, von Ängsten und Einsamkeit von Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit zum Ausdruck.

 Ein Schlafplatz zwischen den Zelten zeigt die beengten Verhältnisse im Lag

Ein Schlafplatz zwischen den Zelten zeigt die beengten Verhältnisse im Lager

5-Sandkästen

Das Setting ist aufgebaut

Vorbereitende Schulung der Begleiter, welche während dem Projekt Ihre volle Aufmerksamkeit dem Sandspieler geben.

Vorbereitende Schulung der Begleiter, welche während dem Projekt Ihre volle Aufmerksamkeit dem Sandspieler geben.

9c-workshop

Nachbesprechung der ersten Sitzung (in der Mitte des Bildes, Frau Kauder und Frau Feine-Enninger)

 

 

Zur Gruppe:
Zwei Jugendliche stammen aus Palästina, alle übrigen aus Syrien. Darunter sind auch einige Kurden. Die Jugendlichen wurden zumeist aus zwei Gründen auf den Weg geschickt: um sie vor dem Dienst in der Assad-Armee oder dem IS zu bewahren, andererseits in der Hoffnung, die restliche Familie nach Europa nachholen zu können. Die Familien konnten nur für eine Person das Geld für die Flucht aufbringen.

Serdar *(der Name wurde geändert) ist 17 Jahre alt. Er habe nur wenig Kontakt zu seiner Familie in Syrien. Als er vor wenigen Tagen von der Hochzeit seiner Schwester in Syrien erffahren habe, an der er nicht teilnehmen konnte, sei er sehr traurig gewesen. Er sei häufig traurig, sei schreckhaft und verletze sich immer wieder selbst. Seine Traurigkeit und innere Unruhe waren auch für uns, ohne Worte, gut spürbar.

In die Gestaltung des Sandbildes war er ganz vertieft. Zunächst klopfte er vehement den Sand fest. Dann galt seine ganze Anstrengung der Errichtung eines Zauns rund um das gesamte Sandfeld, er baute ihn geometrisch genau. Dann nahm er Tiere seiner Heimat, die er in den Sand stellte, jedes umgab er mit einem Zaun.  Man erkennt leicht die kreisförmige, mandalaartig gestaltete Anordnung der Tiere. Diese Formation symbolisiert Ganzheit und Ordnung. Zwei Nutztiere, der Esel und das Kamel, die symbolisch  Schutz, Nahrung, Sicherheit und Hilfe ausdrücken, stehen sich gegenüber und sind umgeben von Raubtieren. Die Raubtiere symbolisieren Gefahr und Wildheit. Diese Szenerie wird durch einen Zaun gesichert. Der Zaun gibt den Tieren Schutz und Sicherheit vor den Gefahren außerhalb der eigenen Welt. Im letzten Schritt entfernte er die kleinen Zäune und stellte die Tiere in einem Kreis auf. Nachdem er das alles geschafft hatte, lächelte er.13-Khaled-2

 

Bijan 14 Jahre alt, 1 Bruderin Schweden, 3 Geschwister in der Türkei im Flüchtlingscamp. Die Eltern leben in Syrien. Er telefoniere regelmässig mit seiner Mutter, was sehr wichtig für ihn sei. Er sei ein scheuer Junge, der oft traurig sei und sich gelegentlich selbst verletze. Der Kontakt mit den anderen Jugendlichen und seiner „Adoptivfamilie“ im Lager helfe ihm.
Beim Sandspiel beschäftigt er sich zuerst mit dem Sand, lässt ihn durch seine Finger gleiten, knetet ihn hingebungsvoll, bis er ihn dann am Boden der Sandkiste festklopft und mit seinen Fingern Spuren in den Sand schreibt. Dann holt er Tannenzapfen, die er geometrisch genau in der linken Bildhälfte aufbaut und setzt sodann Soldaten und Kriegswerkzeug ins Bildfeld. Die Grenze, die er in den Sand gegraben hat, schiebt er immer weiter nach rechts. Rechts, das sei seine Heimat Syrien.

10-Abas-1 11-ABAS-2

 

Ali 17 Jahre, ist seit April 2016 in Lagkadikia. Seine Eltern leben in Syrien, er wisse kaum, wie es ihnen ergehe, eins seiner 4 Geschwister sei gestorben. Er sei sehr zurückgezogen, spreche nicht über seine Probleme, sehr oft sei er sehr traurig.

Im Sandspiel zeichnet er zunächst vorsichtig ein Herz in den Sand, das er mit einem Pfeil durchbohrt. Dazu malt er einen Buchstaben, der einem G gleicht. Um die Zeichnung ordnet er rote Herzen an. Zum Schluss aber deckt er alles mit bunten Federn zu, die er dann noch mit Holzstäbchen beschwert, dass sein Geheimnis auch nicht gelüftet werden möge. Er verbirgt sein Geheimnis, das nicht zu Tage treten darf, da es mit zu schmerzlichen Erfahrungen verbunden zu sein scheint.

18-Rashed-12.9 17-Rashed-2,5.9

In den aufgeführten Beispielen kann man gut erkennen wie das Sandspiel eine Seite in uns zum Schwingen bringt, die verbal schwer zu erreichen ist. In einer ganz persönlichen und spielerischen Symbolsprache haben die Patienten die Möglichkeit, Ihre traumatisierenden Erfahrung aus Krieg, Flucht und Exil zu verarbeiten. Das Sandspiel bietet Ihnen eine Möglichkeit  das zu zeigen, was nicht ausgesprochen werden kann. Dadurch können regenerative uns selbstregulierende Kräfte der Psyche in Gang gesetzt werden, die am Ende eines langen Heilungsprozesses die Ganzheit der Seele wieder herzustellen vermögen.

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